Izakayas in Japan: Kulturtauchen, Teilen & Trinken
Jul 16, 2025
Wenn die Sonne in Japan hinter den Dächern versinkt und die Neonlichter zu flimmern beginnen, erwachen sie zum Leben: Izakayas. Izakayas sind viel mehr als Orte zum Trinken und Essen. Sie sind pulsierende Mikrokosmen des japanischen Alltags, soziale Schmelztiegel und kulturelle Erlebnisse. Und zudem kulinarische Hotspots, denn in einem japanischen Izakaya kann man oft besser essen als in so manchem Sternerestaurant in der Heimat. Wer Japan besucht, für den sollten Izakaya-Besuche ein Muss sein.


Was genau ist ein Izakaya?
Der Begriff „Izakaya" setzt sich zusammen aus iru (Verweilen), sake (Alkohol) und ya (Geschäft, Haus). Ursprünglich waren Izakayas Orte, an denen Gäste eine Flasche Alkohol kauften und direkt vor Ort konsumierten. Heute sind sie beliebte Treffpunkte für Kollegen, Freunde und Familien. Der Begriff Izakaya wird im Ausland oft mit „Kneipe“ übersetzt. Dies wird dem Ganzen allerdings nicht gerecht. Denn in einem Izakaya gibt es immer einen Koch. Das Essen ist abwechslungsreich, saisonal und extrem frisch. Das Speiseangebot ist eine kulinarische Schatztruhe. Die Gerichte kommen in kleinen Portionen, also ideal zum Teilen. Klassiker wie Tempura, Karaage (frittiertes Hähnchen), Gyoza, Yakitori, gegrillter Fisch, die frischeste Sashimi-Auswahl, Takoyaki oder Nasu Dengaku (gegrillte Aubergine mit Miso) finden sich auf fast jeder Karte. Doch es gibt sehr viel mehr als das Bekannte zu entdecken. Das Wichtigste in einem Izakaya ist es, sich zu trauen, Neues zu probieren. Oft sind die Karten auf Japanisch und handgeschrieben, aber mit Google Lens ist es heutzutage absolut kein Problem mehr, zu verstehen, was hinter den Gerichten steckt. Und eines sollte jedem klar sein: Man kann in Japan nur gut oder sehr gut essen, heißt: Im Prinzip kann man sehr wenig falsch machen!



Lebendige Atmosphäre
Von dunklen Gassen in Tokyo bis zu gemütlichen Hinterzimmern in Kyoto – Izakayas gibt es überall und in allen Formen und Größen. Winzige Tresen mit wenigen Sitzplätzen, urige Häuschen mit Tatami-Matten oder moderne Etablissements in Hochhauskomplexen, eines eint sie alle: Eine Mischung aus Herzlichkeit, Geselligkeit und kulinarischem Reichtum. Und sie sind nicht für leises Flüstern gedacht. Hier wird gelacht, geschrien, geprostet. Das Personal ruft beim Eintreten lauthals „Irasshaimase!“ („Willkommen!“), während aus der Küche Pfannen klappern und Gespräche in der Luft liegen. An den Tischen wird sich zugeprostet, mit „Kanpai“, natürlich. Es ist die ungezwungene Lebendigkeit, die Izakayas so charmant macht, ein Kontrast zur oft formalen Höflichkeit Japans. Die Sitzordnung ist oft eng. Man sitzt Schulter an Schulter, was schnell zu Gesprächen mit Fremden führt. Nicht nur das Essen ist vielfältig, sondern auch die Getränke. Getrunken werden Shochu, Sake, Bier, Highballs z.B. Whisky Soda, Chu-Hi’s wie Lemon Sour oder Tea-Hi’s, also Shochu mit Tee gemischt, etwa mit Hojicha oder Mugicha.


Regionale Vielfalt mit Tradition
Je nach Region unterscheidet sich das Angebot in Izakayas deutlich. In Hokkaido gibt es zum Beispiel eine sehr besondere Art von Krabben. In Hiroshima Austern. In Kagoshima steht das „Black Pork“, also das „schwarze“ Berkshire-Schwein, hoch im Kurs, während sich in Sendai alles rund um Edamame dreht, zum Beispiel Edamame-Mochi. Ein Besuch in einem lokalen Izakaya ist somit auch stets eine kulinarische Entdeckungsreise durch Japans Präfekturen. Viele Izakayas sind familiengeführt. Der Besitzer steht hinter dem Tresen, serviert selbst, plaudert mit Stammkunden, kennt ihre Lieblingsgerichte.
Ein Abend, der im Gedächtnis bleibt
Ein Besuch in einem Izakaya ist mehr als ein Abendessen. Es ist ein Eintauchen in die japanische Seele, in ihre Gegensätze aus Tradition und Moderne, Stille und Lärm, Zurückhaltung und Herzlichkeit. Wer mit offenen Augen und offenem Gaumen wahrnimmt, wird belohnt: Mit Geschmackserlebnissen, Gesprächen, Geschichten, und mit dem Wunsch, bald wiederzukehren. Denn in den Izakayas Japans flüstert sie, die Seele des Lande: Warm, lebendig und voller Geschmack.

Kenner-Tipp: Mimasuya – Tokyos ältestes Izakaya
Wer in Tokyo ist, dem sei Tokyos ältestes Izakaya ans Herz gelegt, das Mimasuya. Es befindet sich im Herzen der Stadt, verborgen zwischen modernen Bürogebäuden und geschäftigen Straßen im Stadtteil Kanda. Seit seiner Gründung im Jahr 1905 hat sich dieses traditionsreiche Lokal zu einer Institution entwickelt – nicht nur für seine Stammgäste, sondern auch für all jene, die ein authentisches Stück japanischer Izakaya-Kultur erleben möchten. Gegründet wurde Mimasuya in der späten Meiji-Zeit, einer Epoche, in der Japan sich rasant modernisierte, aber gleichzeitig an vielen Traditionen festhielt. Das ursprüngliche Gebäude überstand nicht das verheerende Kantō-Erdbeben von 1923, doch der Betrieb wurde in den 1920er Jahren am selben Ort wiederaufgebaut und überstand sogar die Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs.
Heute wird Mimasuya in der vierten Generation von derselben Familie geführt – ein seltener Umstand in der schnelllebigen Gastronomieszene Tokyos. Dieses Durchhaltevermögen spiegelt sich auch im Inneren des Lokals wider: Dunkle Holzbalken, schlichte Papierlampen, eine lange Theke mit Patina, alles atmet Geschichte. Mimasuya ist kein glamouröser Hotspot für Touristen. Viele Gäste sind langjährige Stammkunden. Was Mimasuya besonders macht, ist seine Unverfälschtheit. Es wurde nie modernisiert, nie für den Tourismus angepasst. Das Essen und die Atmosphäre sind einfach großartig. Wer In Tokyo ist, sollte diesen tollen Ort in besuchen.
